Aggressive Geschäftspraktiken bei Kinder-Werbung
Werden Kinder durch eine unter Berücksichtigung ihres Fassungsvermögens irreführende Geschäftspraktik oder sonst auf unlautere Weise dazu veranlasst, ihre Eltern zu geschäftlichen Entscheidungen zu motivieren, die diese sonst nicht getroffen hätten, liegt darin im Regelfall eine die Eltern belästigende aggressive Geschäftspraktik.
Die beanstandete Werbung richtet sich nach Inhalt und Erscheinungsbild eindeutig an Kinder. Die Bestellung selbst (der “Beitritt” zum “PonyClub”) muss allerdings – angesichts der Zielgruppe schon aus rechtlichen Gründen – von den Eltern vorgenommen werden. Das werbende Unternehmen setzt die Kinder daher als “Kaufmotivatoren” ein: Sie sollen ihre Eltern veranlassen, eine bestimmte Kaufentscheidung zu treffen.
Aggressive Geschäftspraktik
Kinder durch Mittel, die in Bezug auf ihr Fassungsvermögen unlauter sind, dazu zu veranlassen, auf ihre Eltern Druck im Hinblick auf eine Kaufentscheidung auszuüben, zählt zu den aggressiven Geschäftspraktiken.
Eine Geschäftspraktik gilt als “aggressiv”, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Marktteilnehmers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung oder durch unzulässige Beeinflussung wesentlich zu beeinträchtigen und ihn dazu zu veranlassen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Grundsätzlich kann Eltern zugemutet werden, den Wünschen ihrer Kinder auch dann Grenzen zu setzen, wenn diese Wünsche durch Werbung veranlasst oder verstärkt werden. An Kinder gerichtete Werbung ist daher nicht absolut unzulässig.
Anders verhält es sich aber, wenn die Wünsche der Kinder durch eine irreführende Geschäftspraktik oder eine andere unlautere Handlung hervorgerufen werden. Denn damit wird den Eltern nicht nur die Auseinandersetzung mit möglicherweise unvernünftigen Konsumwünschen ihrer Kinder aufgezwungen. Vielmehr müssen sie durch die Werbung veranlasste Fehlvorstellungen widerlegen, was in der Regel mit einem weit höheren zeitlichen und argumentativen Aufwand verbunden ist. Auch durchschnittlich informierte und verständige Eltern, die eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwenden, können unter solchen Umständen geneigt sein, den Wünschen des Kindes nachzugeben und damit eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die sie sonst nicht getroffen hätten.
Verstoß gegen Wettbewerbsrecht
Die angesprochene Werbung stellt sich – aus Sicht der unmittelbar angesprochenen Personengruppe – als in irreführender Weise unvollständig dar. Damit wird gegen die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen verstoßen.
So wird ein durchschnittliches Volksschulkind der Werbung nur die blickfangartig herausgestellten Vorteile der “PonyClub-Mitgliedschaft” entnehmen, nicht aber die damit verbundenen Belastungen. Im Werbefolder wird nur der vergleichsweise geringe Preis der ersten “Überraschungs-Kiste” genannt, die deutlich höheren Preise der weiteren Lieferungen scheinen nur in den “Garantie-Informationen” auf der Rückseite des Bestellscheins auf. Angesichts der Fülle an Informationen, die der Werbefolder enthält, ist nicht anzunehmen, dass ein Volksschulkind auch noch die Rückseite des Bestellscheins liest.
Es wird daher nicht annehmen, dass mit dem “Beitritt” zum “PonyClub” weitere finanzielle Belastungen verbunden sein können, die deutlich höher sind als jene für die erste “Überraschungs-Kiste” und die nur durch Abbestellen einzelner Lieferungen oder durch den Austritt aus dem Club vermieden werden können.
Quellen
OGH 8.7.2008, 4Ob57/08y
KSchG: §5c Abs1 Z1 und Abs2
UWG: §1 Abs2 Satz2, §1a Abs1